Energieleitlinie

Auf dem Weg zur klimaneutralen Landkreis-Verwaltung

Landkreis Tübingen im Klimaschutzpakt Baden-Württemberg

Im Oktober 2020 beschloss der Kreistag des Landkreises Tübingen, dem Klimaschutzpakt des Landes Baden-Württemberg beizutreten. Das Land sieht mit dem Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes Baden-Württemberg (KSG BW) vor, die Landesverwaltung bis zum Jahr 2040 weitgehend klimaneutral zu organisieren. Für das Erreichen dieses Ziels kommt den Kommunen eine Schlüsselrolle zu. Im Jahr 2015 hatten die Landesregierung und die kommunalen Landesverbände hierzu den Klimaschutzpakt Baden-Württemberg geschlossen, der für die Jahre 2020/21 fortgeschrieben wurde. Mit dieser Fortschreibung wurden zahlreiche neue Fördermittel geschaffen und die Mittel für kommunale Klimaschutzmaßnahmen entsprechend aufgestockt. Bisher sind dem Pakt rund 280 Kommunen beigetreten.

Energiemanagement für kreiseigene Gebäude

Der Landkreis Tübingen betritt mit diesem Thema kein Neuland. Schon seit mehreren Jahren nimmt die Kreisverwaltung in Kooperation mit der kreiseigenen Agentur für Klimaschutz am „Leitstern Energieeffizienz“ des Landes Baden-Württemberg teil. Dabei werden die Stadt- und Landkreise mit der höchsten Energieeffizienz ausgezeichnet. So wurde im Landratsamt bereits 2007 ein zentrales Energiemanagement eingerichtet. Das Energiemanagement überprüft monatlich die Energieverbräuche der Gebäude mit Hilfe eines fernauslesbaren Zählerprogramm sowie diversen Datenbanken nach Plausibilität. Dabei soll der Energieverbrauch kontrolliert und ein frühzeitiges Erkennen eines Energie-Lecks sichergestellt werden. Der jährliche Energiebericht im Kreistag dient als Informations- und Kontrollinstrument für die Entwicklung sämtlicher Energieverbräuche der kreiseigenen Liegenschaften, der Energiekosten und des CO<sub>2</sub> Ausstoßes. Insgesamt bewirtschaftet der Landkreis 4 Berufliche Schulen, 2 Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren, 2 Verwaltungsgebäude an 2 verschiedenen Standorten und 1 Sporthalle mit zusammen rd. 95.000 m² Fläche.

Energieleitlinie

Der Kreistagsbeschluss des Beitritts zum Klimaschutzpakt ist im Landkreis Tübingen nun mit dem Erlass einer Energieleitlinie für Bau und Betrieb der landkreiseigenen Liegenschaften verbunden. Bei der Landkreisverwaltung sind die kreiseigenen Gebäude in der Abteilung Kreisschulen und Liegenschaften verankert. Dort wurde in Zusammenarbeit mit der Agentur für Klimaschutz die Energieleitlinie für die Landkreisverwaltung erarbeitet. Die Leitlinie zielt darauf, konkrete Standards zum wirtschaftlichen Bau und Betrieb der kreiseigenen Liegenschaften vorzugeben und damit einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Ziele des Klimaschutzpakts zu leisten.

In der Konzeptionsphase wurde sehr schnell deutlich, dass viele Prozesse, die zum vorgegebenen Ziel führen, bereits in ihren Grundfesten installiert waren und durch die Abteilung gesteuert wurden. Die Energieleitlinie verschriftlicht und fixiert nun die langjährig und erfolgreich praktizierten Maßnahmen und Methoden aus dem Energiemanagement des Landkreises. Sie basiert auf einem breiten inhaltlichen Fundament und orientiert sich in ihrer Struktur an Beispielen aus der Praxis. Kurz zusammengefasst: Eine Energieleitlinie aus der Praxis für die Praxis, ehrgeizige Vorgaben, die aber auch realistisch umgesetzt werden können.

Die Energieleitlinie gliedert sich in zwei wesentliche Bereiche: Teil 1 beinhaltet Planungsvorgaben für Neubauten und Sanierungen, der Teil 2 regelt den energieeffizienten Betrieb von Gebäuden und haustechnischen Anlagen.

Energieleitlinie – Eckpunkte

Die Eckpunkte der Teilbereiche sind:

Planungsvorgaben für Neubauten und Sanierungen

  • Neubauten werden mindestens im KfW Standard 40 errichtet.
  • Sanierungen werden, soweit möglich, nach dem KfW Standard 55 ausgeführt.
  • Mit den Neubau- und Sanierungsstandards wird die Förderfähigkeit von Investitionen im Rahmen der kommenden Bundesförderung für energieeffiziente Gebäude und anderen Förderprogrammen sichergestellt.
  • Die Anforderungen des Programmsystems „Nachhaltiges Bauen“ in Baden-Württemberg sind einzuhalten und die entsprechenden Arbeitshilfen anzuwenden.
  • Der Energiebedarf ist durch bauliche Maßnahmen zu minimieren. Der verbleibende Energiebedarf ist möglichst effizient zu decken und soll dabei aus erneuerbaren Quellen oder Kraft-Wärme-Kopplung stammen.
  • Neubauten sind grundsätzlich mit Photovoltaikanlagen auszustatten.
  • Die Qualitätssicherung wird intern oder extern durch Fachleute sichergestellt, die bereits bei der Planung mit einbezogen werden.
  • Grundsätze für die Planung werden, z.B. an den baulichen Wärmeschutz (U-Werte an Bauteile) vorgeschrieben. Diese sind bereits Teil bei Planungswettbewerben und Vergabeverfahren.
  • Maßnahmen zum sommerlichen Wärmeschutz werden vorgegeben.
  • Dachbegrünung bei Dächern < 15° Dachneigung, wird vorgeschrieben.
  • Standards zu Wärmeerzeugung, Wärmeverteilung und Wärmeübergabe sowie zur Steuerung und Regelung werden vorgeschrieben.
  • Die Warmwassererzeugung und das Verteilnetz werden auf ein notwendiges Maß beschränkt und vorgeschrieben.
  • Standards zu Lüftungsanlagen, Raumluftqualitäten, Außenluftwechsel, Lufthygiene die Regelung sowie die Energieeffizienz der Lüftungsanlagen werden vorgeschrieben.
  • Vorgaben zu elektrischen Anlagen und Geräten, Motoren und Pumpen werden festgesetzt.
  • Angaben zu Tageslichtnutzung und künstlicher Beleuchtung (grundsätzlich LED) sowie zu deren Energieeffizienz und Schaltung/Regelung werden vorgegeben.
  • Grundsätzliche Regelungen zur Wasserversorgung von Räumen und der Ausstattungsgrad (Warm-/Kaltwasser) werden vorgegeben.
  • Vorgaben zur Gebäudeleittechnik sowie zur Energie- und Wasserverbrauchserfassung werden festgelegt.
  • Regelungen zur Bauausführung, Inbetriebnahme und Wirtschaftlichkeit werden vorgegeben.

Energieeffizienter Betrieb von Gebäuden und haustechnischen Anlagen

  • Vorgaben zum Heizbetrieb, zu Beginn, während und nach der Heizperiode.
  • Regelungen zu Raumtemperaturen.
  • Vorgaben zu Frostschutz, Absenkbetrieb, Ferien/Nutzungsfreier Zeit, Belegungsplanung und Zusatzheizgeräten.
  • Vorgaben zur Warmwasserbereitung, Betrieb von Lüftungsanlagen.
  • Vorgaben zu elektrischen Anlagen z.B. Kühl- und Gefriergeräte, Schaltzeiten.
  • Vorgaben zu Trinkwassertemperaturen und Temperaturspreizungen sowie zur Wasserhygiene.
  • Vorgaben zu Filteranlagen, Pumpen, Hebeanlagen und deren Alarmsysteme.
  • Vorgaben zur Gebäudeleittechnik, Abfrage von Fehler- und Alarmmeldungen.
  • Vorgaben zur Durchführung und Überwachung von Wartungsarbeiten.

Um entsprechend auf Architekten und Ingenieure einwirken zu können, liegen der Energieleitlinie ausformulierte Planungsvorgaben und fachspezifische Vorschriften, Checklisten und Erklärungen bei.

Trotz des frühzeitigen Einstiegs des Landkreises in die energetische Sanierung der Gebäudeaußenhüllen seiner Schulgebäude aus den 1990-er Jahren gibt es noch zahlreiche Betätigungsfelder in den Kreisliegenschaften, die Zug um Zug abgearbeitet werden müssen, um das vorgegebene Ziel des Klimaschutzpakts zu erreichen. Im Rahmen der Finanzplanung des Kreises werden die Maßnahmen jährlich überprüft und dem Kreistagsgremium zur Umsetzung vorgeschlagen. 

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