Jugendguides

Jugendguides am Tag der Reichspogromnacht in der KZ-Gedenkstätte Natzweiler-Struthof

Vier Jugendguides führten am 9. November 2024 51 Tübinger:innen durch die Gedenkstätte Natzweiler-Struthof im Elsass.
Polli fragte am Krematorium nach dem 9. November vor 86 Jahren. In der damaligen Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 hätten im gesamten Deutschen Reich die Synagogen gebrannt, „Menschen jüdischen Glaubens wurden gedemütigt und ermordet in dieser Nacht.“ Das sei aber nur die Vorstufe gewesen für die Verbrechen und Grausamkeiten die noch folgen sollten. „Als Konsequenz dieser Nacht stehen wir heute hier“, so Polli.

rundes Gebäude mit hoch nach oben zulaufender Spitze steht in einem Friedhof mit Reihen von Kreuzen, Blick von einer erhöhten Lage auf eine bergige Landschaft mit im Tal liegengen Wolken
Gedenkstätte KZ Natzweiler-Struthof im Elsass

Gabriele Steffen und Christiane Vogel vom Verein der Freunde des Deutsch-französischen Kulturinstituts Tübingen hatten die Exkursion ins Elsass organisiert und neben etwa 20 Vereinsmitgliedern zusätzlich 25 Schüler:innen vom Tübinger Keplergymnasium mit zwei Lehrern eingeladen.

Die Guides Anda, Betty, Polli und Simeon nehmen an der diesjährigen Jugendguidesqualifikation von KulturGUT e.V. und Landkreis Tübingen teil. Ab 10 Uhr präsentierten sie Appellplatz, Krematorium, Arrestbaracke, Kommandantenvilla und Gaskammer und stellten Bezüge zu Tübingen her.

In der ehemaligen Medizinstation klopfte Polli an eine dünne Zwischenwand zum benachbarten „Versuchszimmer“ und versetzte ihre Zuhörer:innen acht Jahrzehnte zurück: Was hörten die wohl von jenen KZ-Häftlingen nebenan, denen die SS-Ärzte Gift oder Krankheitserreger wie Typhus oder Fleckfieber gespritzt hatten und die unter heftigen Schmerzen, Husten, Atemnot, litten, starben?

Betty hatte sich vor der Kommandantenvilla aufgestellt. Sie zeigte einerseits auf den einstigen „Swimming Pool“ und erzählte vom Kartoffelfest der Familie des Kommandanten. Andererseits verwies sie auf den Blick zum Galgen hinter dem Stacheldraht und darauf, wie die Familie ihren Kartoffelacker mit Asche kremierter KZ-Häftlinge düngen ließ.

Anda verteilte auf dem ehemaligen Appellplatz eine reproduzierte Quelle: „Belehrung für Neuzugänge“. Sie ließ die harschen Regelungen verlesen und zeigte anhand einer Belegungsliste: „nicht alle Häftlinge konnten deutsch“. Eine mögliche Konsequenz daraus zeigte Simeon im ehemaligen Arrestbunker und der dort vollzogenen Prügelstrafe: „Die Gefangenen mussten laut mitzählen. Wenn sie ohnmächtig wurden, oder sich verzählt haben, mussten sie von vorne beginnen.“

An der Gaskammer betonten die Jugendguides, wie eng das KZ Natzweiler-Struthof mit Tübingen zusammenhängt. Der Tübinger Rassenbiologe Hans Fleischhacker hatte zusammen mit einem Kollegen 86 Jüdinnen und Juden in Auschwitz selektiert. Die wurden lebend per Bahn ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht. Dort hatte der Kommandant eine früher eingerichtete Gaskammer ausbauen lassen und legte bei der Vergasung der 86 persönlich Hand an. Warum? Damit die Reichsuniversität Straßburg ihre Skelettsammlung nach Rassemerkmalen erweitern könnte.

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