Das "schwäbische Sauerland" am oberen Neckar
Aus der Geschichte des Landkreises
Die natürlichen Kohlesäurevorkommen im oberen Neckartal, Mineralwasserbrunnen und Heilquellen beflügelten unternehmerische Tätigkeit.
Gas strömt
Leichen von kleinen Vierfüßlern, Reptilien und Käfern lagen noch Ende des 19. Jahrhunderts an vielen Vertiefungen und Gräben im Neckartal zwischen Sulzau und Eyach. Immer wieder torkelten auch Menschen wie betrunken über die dortigen Wiesen. Ihnen setzte wie den Tieren das Kohlendioxid zu, welches in hoher Konzentration aus der Erde strömte. Ein Lokomotivführer starb sogar, als er in der Nähe der Station Eyach einer solchen Gasquelle zu nahe kam.
Die Kohlensäure ließ auch das hiesige Quellwasser brodeln und begünstigte dessen Anreicherung mit Mineralstoffen. Die Bieringer, Sulzauer, Obernauer, Niedernauer und Börstinger füllten seit jeher das Wasser aus ihren „Branntweinbrunnen" in „Sauerwasserschlegel" ab. Der Naturreichtum an Kohlensäure veranlasste schließlich Heilbäder, Mineralwasserfirmen und Industriebetriebe, sich im Landkreis Tübingen anzusiedeln.
Kurgäste
Bad Niedernau entwickelte sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum gern besuchten Kurbad im Königreich Württemberg, auf Basis der erfrischend kohlendioxidhaltigen "sauren" Wasser, die mit Eisen, weiteren Mineralstoffen und mit Schwefelgehalt ihre Heilwirkung entfalten. Eine Badestube gab es schon im 15. Jahrhundert, auch Obernau verfügte über eine kohlensäure- und eisenhaltige Quelle für Bäder.
Aufschwung in Niedernau brachte der Arzt Franz Xaver Raidt, der das Bad 1804 gekauft und ausgebaut hat, dem Kurbetrieb kam später zudem die Lage an der Neckartalbahn zugute.
Auch Mineralwasser wurde im nahen Katzenbachtal gefördert, am dortigen Brunnenhaus der Römerquelle zeugt das 1836 gefundene Relief des Apollo oder Grannus als Quell- und Heilgott sowie Münzfunde davon, dass bereits die Römer aus Sumelocenna (heute Rottenburg) den Brunnen schätzten.
Ebenso im Vorland der Schwäbischen Alb sprudeln Heilwässer. Die meisten von ihnen verdanken ihre Heilkraft dem Schwefel, den sie aus dem bituminösen Liasschiefer lösen. Teils erinnern örtliche Bezeichnungen wie "Bläsibad" oder "Tauchklinge" an zur Linderung von Beschwerden wie Hautproblemen, Wunden, der Krätze, im Verdauungstrakt oder rheumatischen Schmerzen genutzte Quellen.
Der Kurort Bad Sebastiansweiler nahm ähnlich wie Bad Niedernau seine Entwicklung dadurch, dass die Bäder in schwefelhaltigem Wasser durch Mediziner in ihrem Fach neu vertreten und von naturwissenschaflticher Seite gefördert wurden.